Einmal in der Woche gibt es in der JBB Mittelschule Fuchstal einen Deutschkurs »Von Frauen für Frauen« , der sich speziell an geflüchtete Frauen richtet. Der Rote Fuchs durfte den Unterricht auch besuchen.
Kurz vor 18 Uhr bin ich im Klassenzimmer von Gundula Meyer, drei Schülerinnen sitzen schon da und schauen mich erwartungsvoll an. Es duftet nach selbst gebackenen Plätzchen, die haben Abir und Sumaia gebacken, aber ich werde gleich belehrt, dass sie erst nach dem Unterricht verteilt werden dürfen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen …
Punkt 18 Uhr hasten noch drei weitere junge Frauen ins Klassenzimmer der OGT in der Fuchstaler JBB Mittelschule.
Der Unterricht beginnt mit der Hausaufgabenüberprüfung, und der neue Wortschatz wird gemeinsam besprochen. Plötzlich öffnet sich die Tür und Rufaida stürmt herein – sie entschuldigt sich für die Verspätung, sie hat ein 1-jähriges Kind daheim und konnte nicht pünktlich weg. Sie setzt sich gleich neben mich.
Der heutige Lernstoff dreht sich um Adjektive und Gegensätze. »Das schmeckt mir gut. Was ist das Gegenteil von gut?«, fragt Frau Meyer. »Das schmeckt nicht!«, wird sofort gerufen. Frau Meyer erklärt noch einmal in Ruhe, was sie hören wollte: »Das Gegenteil von gut ist schlecht.« Nun nimmt sie einen Ball. »Ich werfe euch den Ball zu und sage dazu ein Eigenschaftswort, wer den Ball fängt, sagt so schnell wie möglich das Gegenteil.« Warm? Kalt! – Hell? Dunkel! – Billig? Äh, teuer! – Hässlich? Schön! – Neu? Alt! Es klappt wie am Schnürchen, sogar Nechi aus Eritrea, die noch nicht lange in Deutschland ist und noch nie eine Fremdsprache gelernt hat, weiß wie aus der Pistole geschossen, dass »klein« das Gegenteil von »groß« ist.
Anschließend geht es mit der Partnerarbeit weiter. Ich darf auch mitmachen als Rufaidas Partnerin. Jede von uns bekommt mehrere kleine Zettel mit Aufgaben: »Zähle weiter: 111 …. 999« steht auf meinem ersten Zettel, den ich vorlesen muss. Rufaida passt gut auf, dass ich richtig zähle: 222, 333 usw. Rufaida muss drei elektrische Geräte nennen: »Kühlschrank, Waschmaschine, Spülmaschine«. Der Plural von Haus? Kein Problem für Rufaida. Nun müssen alle Schülerinnen nach vorne kommen und ihnen werden dieselben Fragen von Frau Meyer gestellt. Wer die Antwort weiß, darf sich wieder hinsetzen. Rufaida sitzt gleich wieder neben mir. Nachdem nun alle sitzen, gibt es die wunderbaren Plätzchen von Abir und Sumaia, dazu arabischen Kaffee. »Köstlich, verratet ihr mir das Rezept?«, bettle ich.
Abirs Rezept für Dattelplätzchen und Sumaias Sesamplätzchen-Rezept sind auf unserer Website zu finden.
Zu Beginn der Stunde habe ich den Schülerinnen erzählt, warum ich da bin. Dass ich einen Artikel schreibe. Dass ihre Lehrerin seit Januar kein Geld mehr bekommt. Dass wir uns wünschen, Spender zu finden, die den Sinn dieses wertvollen Unterrichts erkennen und ein bisschen helfen möchten. Ehrenamtlich ist dieser Unterricht mit sehr viel Vor- und Nachbereitung dauerhaft nicht zu stemmen.
Fakten
Am 20. Februar 2024 startete der Deutschkurs »Von Frauen für Frauen«. Beate Tschuri, Evi Baumeister, Beate Schnorfeil und die leider Ende Mai 2025 verstorbene Christiane Ott-Berger – alle vom Helferkreis Fuchstal – wollten nicht länger mit ansehen, dass die geflüchteten Frauen in Asch und Leeder keine Deutschkurse besuchen konnten (wegen Problemen mit der Busverbindung und der Kinderbetreuung).
Die vier Helferinnen konnten eine professionelle Lehrkraft gewinnen, die am frühen Abend Zeit hatte. Es war eine richtige Win-Win-Situation: Denn die Landsberger Lehrerin Gundula Meyer, die früher an der Mittelschule Fuchstal unterrichtet hatte, war auf der Suche nach einem Minijob. Susanne Taryne, die Integrationsbeauftragte des Landratsamtes Landsberg, war auch absolut begeistert von dem Fuchstaler Projekt und teilte voller Freude mit, dass aus dem Spendentopf der Hirschvogel-Stiftung (welcher für solche Zwecke eingerichtet wurde) die Aufwandsentschädigung für die Lehrerin bezahlt werden könne.
Also alles in Butter? Leider nein. Im Januar 2025 teilte Frau Taryne der Lehrerin mit, dass rückwirkend zum 31.12.2024 alle Zahlungen eingestellt werden, da das Geld aufgebraucht sei, es mussten ja noch andere Projekte finanziert werden.
Interview
Der Rote Fuchs hat die Lehrerin Gundula Meyer in Landsberg besucht und möchte Näheres über den Deutschkurs in Fuchstal erfahren:
RF: Sie unterrichten ja Schülerinnen aus Nigeria, Syrien, Eritrea, Georgien und dem Sudan in Deutsch. Wie war denn das, als Sie keine gemeinsame Unterrichtssprache hatten? Zu Beginn konnte doch noch niemand richtig Deutsch?
GM: Dennoch war von Anfang an unsere Unterrichtssprache Deutsch! Einsprachigkeit ist das wichtigste Prinzip des Fremdsprachenunterrichts. Auch jetzt kann im Kurs noch niemand »richtig« Deutsch, aber wir sind auf dem Weg dorthin.
RF: Kommen denn immer alle zum Unterricht oder wird auch mal geschwänzt?
GM: Natürlich kommt es immer mal vor, dass jemand nicht kommen kann. Die Hauptgründe sind Krankheit oder fehlende Kinderbetreuung . Ich erwarte dann eine telefonische Entschuldigung vor dem Unterricht. Das funktioniert auch.
RF: Eigentlich können doch nach über einem Jahr alle schon ganz gut Deutsch. Warum soll der Unterricht weitergehen?
GM: Mit 90 Minuten Unterricht in der Woche kann man auch nach einem Jahr noch nicht gut Deutsch. Dazu kommt eine große Bandbreite von Vorkenntnissen: Von keinerlei Schulbesuch bis einigen Semestern Studium ist alles vertreten. Aber unsere schwierige Sprache müssen alle von Grund auf lernen. Die Prüfung für das Level B1 zu bestehen, ist Voraussetzung für eine qualifizierte Berufsausbildung.
RF: Dann verstehe ich nicht, warum das Landratsamt kein Geld mehr rausrückt. Das müsste doch selbst daran interessiert sein, dass hier Frauen in Lohn und Brot gebracht werden, damit es sie nicht dauerhaft finanziell unterstützen muss.
GM: Das Landratsamt hatte 100.000 € von der Hirschvogel-Stiftung zur Verfügung. Gut 3 % davon ist in unseren Deutschkurs geflossen. Diese Quelle ist nun versiegt. Das LRA setzt auf die Vormittagskurse in Landsberg (VHS und Kolpingakademie). Aber wie sollen die Schülerinnen dorthin kommen, wenn ihre Kleinkinder allein zu Hause sind?
RF: Der Helferkreis versucht seit Januar vergeblich, Sponsoren zu finden. Es helfen ja auch kleine Summen. Was passiert, wenn weiterhin keine Spenden eingehen? Hören Sie dann auf?
GM: Ich kann die Frauen doch jetzt nicht einfach im Stich lassen! Mir macht das sehr viel Freude, vor allem wenn ich die Fortschritte sehe. Es ist auch so schön mitzuerleben, dass da eine Gemeinschaft entstanden ist, über Religionen und Hautfarben hinweg. Die Schülerinnen sind mir richtig ans Herz gewachsen.
RF: Die Schülerinnen wirkten ganz bestürzt, dass Sie seit Januar den Unterricht unentgeltlich abhalten. Können die nicht selbst – je nach finanzieller Situation – pro Unterrichtsstunde was zahlen?
GM: Die Frauen wurden durch ihre Patinnen vom Helferkreis Fuchstal überzeugt, wie wichtig ein Deutschkurs ist. Da die Finanzierung bereits sichergestellt war, konnte der Unterricht kostenlos angeboten werden, was die Entscheidung sicher beeinflusst hat. Wie kann man jetzt plötzlich Geld verlangen? Ich vermute, dass manche nur sehr wenig Geld zur Verfügung haben, die können dann nicht mehr kommen, wenn sie etwas zahlen müssen.
RF: Dann hoffe ich sehr, dass vielleicht eine Firma oder ein privater Spender sein Herz und auch seinen Geldbeutel öffnet. Jede Spende ist willkommen und es gibt natürlich eine Spendenquittung.
Kontoinhaber: Schulverband Fuchstal
IBAN DE10 7016 9351 0002 7130 55
Raiffeisenbank Lechrain eG
Verwendungszweck: Spende Deutschkurs Geflüchtete
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